DAS ENTSCHEIDENDE FEHLT!

An die Freiburger Stadtverwaltung                  Zur Kenntnis an die
Herrn Erstem Bürgermeister Neideck            Mitglieder des Gemeinderates,
Herrn Gramich, Amt für Liegenschaften         die Fraktionen und die Presse
Rathausplatz 2-4   79098 Freiburg

EINHEIMISCHENMODELLSTADTTEIL GUTLEUTMATTEN

Ihr Antwortschreiben vom 7.10.2013 – DAS ENTSCHEIDENDE FEHLT!

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Neideck,
sehr geehrter Herr Gramich,

wir danken Ihnen für die Weiterleitung Ihres Antwortschreibens vom 7.10.13 auf die Anfrage der Fraktion Unabhängige Listen vom 16.9.13, da diese sich in der Tat auf unsere Anfrage vom 11.9.13 bezieht, und in dem Sie auf fünf Seiten ausführlich zu den einzelnen Fragekomplexen Stellung beziehen.

1. DAS ENTSCHEIDENDE FEHLT: DIE BENENNUNG DER RECHTLICHEN GRUNDLAGEN

Eines aber fehlt, leider: Die Antwort auf unsere Anfrage, doch bitte die rechtlichen Grundlagen zu benennen (Gesetze, Gerichtsurteile, Kommentare), auf denen Ihre zentrale These zur vorrangigen Grundstücksvergabe  an Baugemeinschaften in der Vorlage zur Gemeinderatsentscheidung am 23.7.13 beruht:

„Eine Bevorzugung von Baugemeinschaften lässt sich rechtlich nur unter dem Aspekt der Förderung der kostengünstigen Bildung von Wohnungseigentum Ortsansässiger …rechtfertigen… (sog. Einheimischenmodelle“)…Die Vergabe an selbstorganisierte Genossenschaften, die reinen Mietwohnungsbau anbieten, kann man allerdings nicht mehr als Maßnahme zur Förderung von Eigentumsbildung ansehen.“ (Drucksache G-13/139, Seite 6)

  • Welche Gründe rechtfertigen die bevorzugte Förderung von Eigentumsbildung?
  • Warum steht nicht die Schaffung von langfristig günstigem Wohnraum im Vordergrund?
    Wir bitten Sie noch einmal, uns Fundstellen aus der Rechtsliteratur, sofern vorhanden, mitzuteilen.

Wir möchten zu gerne mit eigenen Augen lesen, wo denn geschrieben steht, dass genossenschaftlichen Mietshausprojekten die Gleichstellung mit privateigentumsorientierten verweigert werden muss; was beim aktuellen Baugebiet Gutleutmatten u.a. bedeutet, dass den genossenschaftlichen Baugemeinschaften keine Optionsfrist von 6 Monaten gewährt wird, wie sie bei den eigentumsorientierten als Zeitpuffer für die Gründungsphase für unbedingt notwendig erachtet wird.

  • Was ist denn der „sachliche Grund“ dafür?

2. HAMBURG UND MÜNCHEN: VORRANGIGE VERGABE AUCH AN GENOSSENSCHAFTEN

Ihre Ausführungen zur vorrangigen Vergabe von Grundstücken an Genossenschaften, wie sie in Hamburg und München seit Jahren praktiziert wird, schließt mit zwei Feststellungen:

a) „Das Rechtsamt sieht die Praxis in München und Hamburg als nicht unkritisch an…“
Das ist natürlich gutes Recht des Freiburger Rechtsamtes, genauso wie es gutes Recht der Stadtverwaltung ist, sich die Sichtweise ihres Rechtsamtes zu eigen zu machen.

b) „Klagen gegen die Vergabepraxis in München und Hamburg wurden bislang nach den eingeholten Erkundigungen nicht erhoben.“
Das ist nicht unerheblich zu wissen, da es der Freiburger Stadtverwaltung ausdrücklich „um ein rechtssicheres Vermarktungskonzept“ geht. (Drucks. G-13/139, Seite 2 oben)

Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Freiburger Stadtverwaltung die Informationen über die unterschiedlichen Einschätzungen zur vorrangigen Vergabe von Grundstücken an Genossenschaften, zum Beispiel in den großen Städten Hamburg und München, (die vermutlich ebenfalls von fachlich kompetenten Rechtsämtern bewertet und den jeweiligen Gemeinderäten als praktikabel und rechtssicher dargestellt wurden,) vor der Abstimmung am 23. Juli zurückgehalten hat, und dem Freiburger Gemeinderat nur die eigene Auffassung als rechtlich alternativlos dargestellt hat?

  • Wie konnten bei dieser Sachlage die Anträge von UL und SPD zur vorrangigen Berücksichtigung von Genossenschaften und anderen genossenschaftlich organisierten Baugemeinschaften für rechtswidrig erklärt und nicht zugelassen werden?

3. ABGRENZUNG VON GENOSSENSCHAFTLICHEN BAUGEMEINSCHAFTEN ZU GROSSGENOSSENSCHAFTEN UND BAUTRÄGERN

Den kritischen Blick der Stadtverwaltung auf die Vergabepraxis in Hamburg und München können wir durchaus nachvollziehen, weil sich
„…die Abgrenzung, welche Modelle und Rechtsformen noch als Baugemeinschaften akzeptiert werden und welche nicht, sehr schwierig gestaltet.“
Denn in folgendem Punkt vertreten wir eine ähnliche Position:

„…eine allein an der Rechtsform orientierte Bevorzugung (würde) gerade Initiativen, die sich nicht der genossenschaftlichen Rechtsform (eG) bedienen, ausschließen. Das Mietshäuser Syndikat, das der Rechtsform nach keine Genossenschaft ist, würde dann zwangsläufig ausscheiden, was nicht gerade intendiert ist und wofür es aus Sicht der Verwaltung auch keinen sachlichen Grund gibt.“ (G13/193, Seite 1 unten)

Der Schlüssel zu einer konstruktiven Lösung der Frage, wie genossenschaftliche Baugemeinschaften von Großgenossenschaften oder anderen gewerblichen Bauträgern abgegrenzt werden können, liegt unseres Erachtens darin: Das Prinzip der verpflichtenden Eigennutzung, wie es die Stadtverwaltung für eigentumsorientierte Baugemeinschaften für rechtlich unabdingbar hält, entsprechend auf genossenschaftliche Mietshausprojekte zu übertragen und juristisch zu fixieren!

Genossenschaftstheoretisch gesehen bedeutet das nichts anderes, als das ur-genossenschaftliche Identitätsprinzip konsequent auf das jeweilige Hausprojekt anzuwenden, indem die Identität von NutzerInnen und (kollektiven) EigentümerInnen gewährleistet wird.

Das ist kein Hexenwerk: Das Modell des Mietshäuser Syndikats bietet einen passenden rechtlichen Rahmen dafür. Aber auch zum Beispiel das Modell der Hamburger „Huckepack-Genossenschaft“ wäre geeignet, wo eine (große) „Traditions“-Genossenschaft mit einem Hausverein der MieterInnen eine unterschiedlich gestaltete Selbstverwaltung vertraglich vereinbart und grundbuchlich absichert. (G13/193 Seite 2 Abs. 4) (Könnte das nicht auch ein Modell für einzelne Objekte oder Siedlungen der Freiburger Stadtbau abgeben?)

4. WIE GEHT ES WEITER?

Wir würden uns über ein konstruktives Gespräch mit der Stadtverwaltung freuen, nicht nur im Hinblick auf das Vermarktungskonzept Gutleutmatten, sondern auch auf die zukünftigen Baugebiete wie zum Beispiel das Polizeiakademiegelände und Rieselfeld-Nord/Dietenbach.

Deshalb bitten wir Sie noch einmal, uns Ihre Quellen zu benennen, auf denen Ihre einseitige Stellungnahme in der Vorlage G13/193 beruht:

„Eine Bevorzugung von Baugemeinschaften lässt sich rechtlich nur unter dem Aspekt der Förderung der kostengünstigen Bildung von Wohnungseigentum Ortsansässiger …rechtfertigen… (sog. „Einheimischenmodelle“)…“ usw.

Warum gerade eine Maßnahme zur Förderung von Eigentumsbildung politisch gewollt oder städtebaulich notwendig ist, wurde bisher nicht erläutert. Ebenfalls nicht erklärt wurde, warum im Widerspruch dazu ein dinglich gesichertes Wohnrecht (siehe Brief von Herrn Gramich von 22.7.2013) trotzdem ausreichen soll. Schließlich verstehen wir nicht, warum das „Einheimischen“-Modell Pate stehen soll, aber der Begriff des Ortsansässigen gestrichen und damit jeder Bezug zu den „Einheimischen“ aufgegeben wird.

Unser Ziel ist es bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringeren Einkommen und ohne Eigenkapital zu schaffen, der auch nach 25 Jahren noch verfügbar ist – der dann nicht „aus der Bindung gefallen“ sein wird, wie es in den älteren Neubaugebieten Vauban und Rieselfeld schon jetzt der Fall und im Baugebiet Gutleutmatten leider Stand der Planung ist.

Mit anderen Worten: wir wollen keine Kapitalanlagen für Anleger, sondern Wohnungen für Wohnungssuchende bauen. Wir sind optimistisch, dass sich dafür bei gutem Willen der Beteiligten eine rechtlich tragbare Lösung erarbeiten lässt.

Mit freundlichen Grüßen

Bauverein „Wem gehört die Stadt?“
Im Auftrag
Stefan Rost, Regina Maier