Rede bei der Demo: Wem gehört die Stadt? Bezahlbarer Wohnraum ist die halbe Miete

Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ 12.11.16

Hinter diesen Mauern (des Rathauses), vor eineinhalb Jahren, hat der Gemeinderat mit genau einer Stimme Mehrheit beschlossen, dass in neuen Baugebieten eine Quote von mindestens 50% Sozialer Mietwohnungsbau errichtet werden muss.
Damals stellte der Herr Oberbürgermeister die provokative Frage:
„Wie soll ich einen privaten Investor dazu bringen, geförderten Mietwohnungsbau zu machen, wo der sich doch nicht rentiert“?
Diese Frage stellt er immer noch, und die Badische Zeitung immer wieder. Unsere ebenso provokative und einfache Antwort lautet:
„Wenn sich kein privater Investor findet – dann muss die Stadt oder Stadtbau die notwendigen 50% Sozialmietwohnungen eben selber bauen!“
Ich werde noch darauf zurückkommen.
Der Frage des OB, wie er denn privaten finden könne, möchte ich eine eigene Frage entgegen stellen:
Ist es überhaupt sinnvoll und wünschenswert, wenn diese privaten Investoren die Sozialmietwohnungen bauen?

Das Ergebnis dieser Bautätigkeit privater Bauträger und Investoren lässt sich in den älteren neuen Baugebieten Vauban und Rieselfeld besichtigen.
Einer Grafik der offiziellen Website zum Stadtteil Rieselfeld ist zu entnehmen:
Von planerisch vorgegebenen 50% Sozialer Mietwohnungsbau sind nach 20 Jahren gerade mal 5% übriggeblieben, dafür ist der Anteil der Eigentumswohnungen von vorgegebenen 25% auf 75% angestiegen.
Entsprechend hoch sind die Mieten gestiegen: Laut Mietspiegel sind Vauban und Rieselfeld zusammen mit Herdern die drei Stadtteile mit den höchsten Mieten.
Soll das tatsächlich die Perspektive auch für das Baugebiet Dietenbach und die anderen kleineren Baugebiete sein?
Anders als die Frage des OB es suggeriert, ist es auch nicht das Problem Investoren zu finden – die Investoren stehen Schlange!
Das lässt sich gut im aktuellen Baugebiet Gutleutmatten in Haslach beobachten:
Dort sind 30% der Flächen für die Stadtbau reserviert, ebenfalls 30% für Baugruppen mit Eigentumswohnungen und übrigen 40% für Investoren und Bauträger.
In diesem Segment für Investoren gibt es bereits eine 50%-Quote, wenn man geförderte Mietwohnungen und sogenannte gebundenen Mietwohnungen, die  etwas kürzere Bindungsfristen und geringere Mietabschläge haben, zusammenrechnet.
In der allgemeinen Ausschreibungsrunde, d.h. ohne die Konzeptvergaben, haben sich im Schnitt 8 Investoren auf je ein Baugrundstück beworben, ich wiederhole acht Investoren, auf je ein Baugrundstück beworben!!

Das Problem ist nicht, Investoren zu finden, wie der OB wider besseres Wissen behauptet. Das Problem sind die Geschäftsmodelle der Investoren.
Da lassen sich zwei verschiedene Modelle unterscheiden:
das privatwirtschaftliche und das genossenschaftliche Modell.
Das Geschäftsmodell der privaten Investoren und Bauträger beruht beim Sozialen Mietwohnungsbau nicht in erster Linie auf Mieterträgen, die ja deutlich unter dem Mietspiegel liegen müssen.
Das Geschäftsmodell beruht auf den Verkaufserlösen, wenn nach Ablauf der Bindungsfristen die Wohnungen zu Marktbedingungen verkauft werden können;

  • entweder an klassische Kapitalanleger aus aller Welt, das sind Fondsgesellschaften oder auch nur reiche Privatpersonen, zum Beispiel aus London, die sich neben der Zweitwohnung im angesagten Berlin auch eine Öko-Drittwohnung dem Klima zuliebe  im schönen Freiburg zulegen;
  • oder an selbstnutzende Wohnungseigentümer mit entsprechendem Kapitalpolster.

In beiden Fällen werden die bisherigen Sozialmieter verdrängt:
Entweder durch maximal mögliche Mieterhöhungen, oder durch Eigenbedarfskündigung.
Bauflächen sind keine nachwachsenden Rohstoffe.
Wenn wir das Geschäftsmodell der privaten Investoren berücksichtigen, stellt sich doch wirklich die Frage:
Soll die Stadt ausgerechnet diesen Investoren den Sozialen Wohnungsbau in die Hände legen, die kühl den Ausverkauf der letzten Bauflächen an Kapitalanleger kalkulieren?
Nein! Deshalb fordern wir:
Vergabe der Flächen in den neuen Baugebieten nur an Bauträger, die aufgrund ihrer Zielsetzung und Eigentumsverfassung bezahlbare und unverkäufliche Wohnungen gewährleisten.
Das ist nicht utopisch:
In Gutleutmatten gibt es neben den privaten Investoren auch eine zweite, genossenschaftlich ausgerichtete Gruppe von Investoren, deren Zweck es ist, die Wohnungen bezahlbar und dauerhaft im Bestand zu halten.
So haben die 3HäuserProjekte des Mietshäuser Syndikats mit den hübschen Namen Luftschloss, Lama und schwereLos sich beworben und den Zuschlag erhalten.
Insgesamt errichten sie rund 50 Wohnungen, davon 70% Sozialmietwohnungen, unter dem Motto: sozial, bezahlbar, unverkäuflich.
Rechnet man das Bauprojekt der Oekogeno Genossenschaft dazu, ergibt das einen Anteil von immerhin 33 % am Segment für Investoren im Baugebiet Gutleutmatten.
Das ist ein Anfang.
Den privaten Investoren steht es selbstverständlich frei, ebensolche dauerhaft sozial gebundenen Mietwohnungen zu errichten. Ob sich aber genug finden lassen?

Deshalb fordern wir weiter:
Finden sich tatsächlich nicht genügend genossenschaftlich ausgerichtete Investoren, muss diese Flächen die Freiburger Stadtbau mit Sozialmietwohnungen bebauen, für die ebenfalls Dauerhaftigkeit nachzuweisen ist – das lehrt schon der gescheiterte Stadtbau-Verkauf.
Wenn die Stadtbau dazu nicht in der Lage ist oder ihre Kapazitäten nicht ausreichen, muss sie umstrukturiert werden – oder eine zweite Stadtbau gegründet werden, die diese Kriterien von vornherein erfüllt.