Dauerthema 50-Prozent-Quote „Die Investoren werden Schlange stehen“

An die Stadt Freiburg – Gemeinderat und Stadtverwaltung
An die Freiburger Stadtbau GmbH

Nachträgliche Neujahrsgrüße, sowie zur Stellungnahme der FSB vom 4.2.2016 zu unserem Offenen Brief vom 8.12.2015 auf die Stellungnahme der FSB vom 25.9.2015 zu unserem Offenen Brief vom 18.7.2015 zur 50-PROZENT-QUOTE „Die Investoren werden Schlange stehen“

Offener Brief des Bauvereins „Wem gehört die Stadt?“ | 18.1.2017

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wünschen Ihnen nachträglich ein erfolgreiches Neues Jahr 2017, mit vielen neuen und bezahlbaren Mietwohnungen für Freiburgs Wohnungssuchende. Jahreswechsel: Zeit, liegen Gebliebenes aus dem vergangenen Jahr zu erledigen, wie die Antwort auf Ihre Stellungnahme vom 4.2.2016 zum Dauerthema 50-Prozent-Quote: „Wie soll ich einen privaten Investor dazu bringen, geförderten Mietwohnungsbau zu machen, wo der sich doch nicht rentiert?“ (OB Salomon).

In Ihrer Stellungnahme zu unserem Schreiben vom 8.12.2015 bezeichnen Sie das Finanzierungsmodell unseres Bauvereins „Wem gehört die Stadt?“ als „unsozial und nicht nachhaltig“, denn es „verschiebt Risiken auf kommende Generationen.“

Das hat uns doch sehr erstaunt, aus zwei Gründen. Hatten Sie uns nicht am 25.9.2015, also wenige Monate vorher, genau das Gegenteil geschrieben? „Die Freiburger Stadtbau ist davon überzeugt, dass das vom Bauverein ‚Wem gehört die Stadt?‘ vorgestellte 3-Häuser-Projekt als sehr kreatives Einzelprojekt durchaus darstellbar ist und in diesem Kontext seine Berechtigung haben kann.“

Zweitens: Beruht nicht der Mietwohnungsbau gerade auf dem Prinzip, Lasten und Risiken auf mehrere Generationen von MieterInnen zu verteilen? „Zu verschieben“, wie Sie es nennen, ist sicher nicht der richtige Ausdruck: Haben nicht die ersten MieterInnen, relativ zur Kaufkraftentwicklung, ausgesprochen hohe Mieten zu tragen? Dieses Phänomen wird jeder Häuslebauer bestätigen, da er ähnlich wie ein Miethaushalt in den Anfangsjahren die höchsten Lasten zu tragen hat.

Aber zu ihrer Beruhigung: Die finanzierenden Kreditinstitute beim 3HäuserProjekt sind bei der Risikobewertung offenbar zu einem ganz anderen Urteil als Sie gekommen:

Alle Darlehensverträge, sowohl mit der L-Bank für die geförderten Mietwohnungen, als auch mit der Sparkasse Freiburg für die frei finanzierten Mietwohnungen und die Kita schwereLos, sind abgeschlossen. Das erforderliche Eigenkapital von insgesamt 4,6 Mio. Euro ist eingeworben, die Finanzierung von insgesamt 14,5 Mio. € gesichert.

Als Teil der Darlehensbewilligung für die geförderten Mietwohnungen hat die L-Bank jeweils eine Finanzierungsrechnung aufgestellt, die bei allen drei Projekten eine „durchschnittliche jährliche Verzinsung des Eigenkapitals über 40 Jahre“ von rund 1,5 % ausweist. Das ist nicht üppig, aber auch nicht „unwirtschaftlich“, wie es seit Jahren von derBauwirtschaft kolportiert wird.

Ab Frühjahr 2016 konnte das 3HäuserProjekt richtig loslegen, erst mit den reinen Wohnprojekten Luftschloss und LAMA, später mit dem Wohn- und Kita-Projekt schwereLos. Die Baugenehmigungen wurden erteilt, und der Stadt Freiburg die Grundstücke abgekauft. Eine Überprüfung des Direktkreditkonzeptes aller drei Projekt-GmbHs und Hausvereine durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aufgrund des neuen Kleinanlegerschutzgesetzes ergab keine Beanstandung. Die Bauarbeiten gehen zügig voran unter Einhaltung des Kostenrahmens. Bei den Projekten Luftschloss und LAMA sind die Rohbauarbeiten abgeschlossen, der Ausbau läuft. Beim Projekt schwereLos, das sich wegen der 3-Gruppen-Kita komplizierter gestaltet, sind die Keller- und Tiefgaragendecken betoniert.

Aber es wird noch eine Reihe von Monaten dauern, bis die ersten Wohnungen bezogen werden und alle knapp 50 Wohnungen fertig sind. Die Startphase, die aus unserer Sicht besonders risikoreich ist, wäre dann abgeschlossen.

Gewiss, auch im laufenden Betrieb birgt ein Mietshausprojekt wie jedes Unternehmen Risiken und könnte scheitern. Die Risiken zum Beispiel durch Auslaufen der Zinsbindung in 2-3 Jahrzehnten, worauf die Stellungnahme der Stadtbau hinweist, sind nicht von der Hand zu weisen, die gibt es aber auch bei anderen Eigentumsformen.

Nicht zu vergessen die besonderen Risiken, die bei kommunalen Wohnungsunternehmen schlummern. Daran möchten wir Sie nachträglich zum 10. Jahrestag des Bürgerentscheides am 13. November 2006, der den geplanten Stadtbauverkauf verhinderte, erinnern. So könnte binnen weniger Monate eine neoliberal eingestellte, zufällige Mehrheit des Gemeinderates mit 50% und einer Stimme den gesamten Wohnungsbestand verkaufen, den das Gemeinwesen in Jahrzehnten aufgebaut hat. Das Risiko tragen die MieterInnen, die sich dann mit Finanzriesen wie Vonovia oder mit Eigenbedarfsklagen herumschlagen müssen. (Siehe die 2005 verkauften 750 Stadtbau-Wohnungen an die Gagfah>Fortress>Annington>Vonovia AG)

Unser Vorsatz fürs neue Jahr: Initiativen von Wohnungssuchenden unterstützen, die sich für Baugrundstücke in den zeitnah geplanten kleineren städtischen Baugebieten bewerben wollen (Dietenbach ist noch lang hin); Baugebiete wie zum Beispiel am Güterbahnhof-Nord, die so mit genossenschaftlich organisierten Mietshausprojekten „durchmischt“ werden könnten, die auch nach Ablauf der Bindungsfristen sozial, bezahlbar und unverkäuflich bleiben.

Detaillierte Antworten auf einige Ihrer Kritikpunkte vom 14.2.2016 lesen Sie bitte im Anhang.
Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
Bauverein „Wem gehört die Stadt?“