Flugschrift Nr. 5 vom 10.12.2009

Der Anschnitt


 

 

 

 

 

Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

es mag Ihnen kleinlich vorkommen, wenn wir über den Verkauf von 20 Wohnungen der Freiburger Stadtbau GmbH und weiterer vier Wohnungen der Stadt Freiburg viel Aufhebens machen. Wo doch der Herr Oberbürgermeister glaubhaft versichert hat: „Es wird keinen Verkauf mehr geben“. (BZ 14.11.09) Jedenfalls nicht für alle 7000 Wohnungen auf einmal, und ganz sicher nicht vor der OB-Wahl im kommenden Frühjahr.

Zumal der Herr Oberbürgermeister sich mächtig ins Zeug legt und wieder einen Meister-Plan in petto hat: Er will “diese Häuser sehr günstig Menschen anbieten, die sich Eigentum eigentlich nicht leisten können…. Das wäre eine gute Geschichte.“

Obendrein ist es eine feine Geschichte, dass der Herr Oberbürgermeister einen Tag nach Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist des Bürgerentscheids von 2006 testweise den geplanten Verkauf von 20 Wohnungen bekannt gibt, sauber verpackt in die BZ-Schlagzeile: „Es wird keinen Verkauf mehr geben“.

Zu solch guten Geschichte wäre es einfach unhöflich, kleinliche Fragen zu stellen:

1. Wie konnte es in der „gut aufgestellten und effizienten“ Freiburger Stadtbau soweit kommen, dass „…die Häuser in der Haslacher Gartenstadt und in der Hansjakobstraße…in schlechtem Zustand“ sind und „der Sanierungsaufwand so hoch (wäre), dass wir das über die Miete nie mehr rein kriegen würden“ ? (BZ-Interview 14.11.2009)

2. Wie konnte dies obendrein unter den wachsamen Augen des Stadtbau-Aufsichtsrates geschehen, dem der halbe Gemeinderat angehört und dem der OB vorsitzt?

3. Wohin sind sie entschwunden – die Instandhaltungsrücklagen für die 20 Wohnungen? Die in jeder Miete einkalkuliert sind und die sich im Laufe der vergangenen Jahre mit Verzinsung auf sechs- bis siebenstellige Beträge aufsummiert haben?

4. Speisen sich auch daraus die Bilanzgewinne der Stadtbau, die jährlich an die Stadt Freiburg ausgeschüttet werden? Den Geschäftsberichten und Bilanzen der Stadtbau sind solche Kleinlichkeiten nicht zu entnehmen.

5. Oder müssen diese zweckentfremdeten Mieterzahlungen („Gewinne“) wahlweise für die Finanzierung kommunaler Aufgaben herhalten, wie dem Bau des Kunstdepots durch die Stadtbau? Weil durch Bankenrettungsfonds, Abwrackprämien und Steuersenkungen für Großkonzerne/Großverdiener kaum noch Steuergelder zur Verfügung stehen?

6. Und wir wollen schon gar nicht danach fragen, warum alle Mieter dieser Häuser so mir nichts dir nichts gemeinsam ausgezogen sind und die Häuser leer stehen, wie „von unsichtbarer Hand gelenkt“. Schließlich kann der 22-köpfige Aufsichtsrat der Stadtbau seine 44 Augen nicht überall haben.

So mag es dem Herrn Oberbürgermeister in seinem Eifer als amtierendem Baubürgermeister auch entgangen sein, dass es sich bei diesen tollen zukünftigen Eigentumswohnungen um genau die billigen Mietwohnungen handelt, die immer mehr vom Markt verschwinden, gerade weil sie in Eigentumswohnungen umgewandelt werden – und für immer unerschwinglich werden, jedenfalls für MieterInnen mit schmalem Geldbeutel. Wir bezweifeln nicht, dass auch für Eigentumswohnungen eine große Nachfrage besteht. Aber warum muss auch die Stadtbau diese ausgerechnet dort schaffen, wo die wenigen preisgünstigen Mietwohnungen stehen? Wir fordern Sie auf, die Wohnungen sofort wieder zu vermieten und den skandalösen Leerstand zu beenden!

Diese 20 Mietwohnungen sind sicher nicht das Modernste und Wärmegedämmteste, was der Immobilienmarkt zu bieten hat. Aber die Baukosten sind seit vielen Jahren abbezahlt und deshalb die Zinslasten gering. Auch MieterInnen können „eine Muskelhypothek aufbringen und selbst entscheiden, wann sie aufs Dach steigen“, so wie es der OB munter daher plaudert. Das wäre wirklich eine gute Geschichte, mit einem Investitionskostenzuschuss der Stadtbau in Höhe der einbehaltenen Instandsetzungsrücklagen.

kleinklein

Seit dem 1. Dezember ist der Verkauf der 20 Wohnungen vom Gemeinderat beschlossen und die Wurst angeschnitten. Wie groß werden die nächsten Salamischeiben sein, die vom OB serviert und mit einer „guten Geschichte“ garniert werden? 40 oder 100 oder 500 Wohnungen? Das ist eine Frage von Monaten, denn die Steuereinnahmen der Öffentlichen Haushalte gehen drastisch in den Keller, während seit Ausbruch der Finanzkrise alle paar Wochen immer neue Riesensummen für die staatliche Übernahme der privaten Bankverluste durch die Zeitungen geistern. Auch wenn es dem OB und dem Gemeinderat kleinkariert vorkommen mag: Wir wollen einer schleichenden Privatisierung der Stadtbau-Mietwohnungen einen Riegel vorschieben, klitzeklein, aber wirksam, durch eine (noch) ungewöhnliche Form der Bürgerbeteiligung:

Da ist zunächst die Aktion Sperrminorität e.V. Jeder kann Mitglied werden, der die Ziele des Vereins unterstützt: Keine Privatisierung öffentlicher Güter, insbesondere der Mietwohnungen der Freiburger Stadtbau GmbH. Dieser Verein soll ein Vetorecht gegen den Verkauf von Mietwohnungen der Stadtbau ausüben, in Anlehnung an das Modell des  Freiburger Mietshäuser Syndikats (www.syndikat.org).

Wie kann das gehen?

1. Die Stadt Freiburg verkauft der Aktion Sperrminorität e. V. einen kleinstmöglichen  Geschäftsanteil der Freiburger Stadtbau GmbH im Nominalwert 100 € (Verkehrswert mehrere hundert Euro). Damit wird die Aktion Sperrminorität zweite Gesellschafterin der Stadtbau, neben der Stadt Freiburg, die 390835 Geschäftsanteile à 100 € besitzt.

2. In die Satzung der Freiburger Stadtbau GmbH werden folgende Sätze eingefügt:

a) Der Bestand an Mietwohnungen ist zu erhalten und zu erweitern, ein Verkauf von Mietwohnungen und Geschäftsanteilen ist nicht zulässig.

b) Ausnahmen von dieser Regelung sind nur zulässig, wenn alle Gesellschafter der Freiburger Stadtbau GmbH zustimmen.

c) Eine Änderung der Satzung betreffend die Punkte a) bis c) bedarf ebenfalls der Zustimmung aller GesellschafterInnen.

So kann die Aktion Sperrminorität als eine Art außerparlamentarischer Kontrollrat wirkungsvoll und dauerhaft verhindern, dass einfache Mehrheiten des Gemeinderates in Salamischeiben oder auf einen Happs den Mietwohnungsbestand der Stadtbau versilbern, der über viele Jahrzehnte aufgebaut wurde. Noch Fragen? Wir geben Ihnen gerne Antwort (aktionsperrminoritaet@gmx.de).

Wir zweifeln keine Sekunde daran, dass weder der Herr Oberbürgermeister noch die große Mehrheit des Gemeinderates der Stadt Freiburg von einer solchen Regelung begeistert sind. Deshalb werden wir in einer Unterschriftensammlung für unser Vorhaben werben, dem wir der Einfachheit halber von Anfang an die Form eines Bürgerbegehrens geben, mit dem Ziel, nötigenfalls einen Bürgerentscheid durchzusetzen. Für das Bürgerbegehren brauchen wir, wie Sie wissen, ca. 16.000 gültige Unterschriften, für den folgenden Bürgerentscheid ca. 40.000 Ja-Stimmen. Sollte unser kühnes Vorhaben diese Zustimmung erhalten, würden wir uns doch ganz arg freuen, mit dem Herrn Oberbürgermeister oder seinem/-r Nachfolger/-in im Amt engagiert und ehrenamtlich in der Gesellschafterversammlung der Stadtbau zusammenzuarbeiten, um über die Einhaltung und Umsetzung der Satzungsziele der Freiburger Stadtbau GmbH zu wachen:

„Die Gesellschaft der Stadtbau und ihre Organe…verfolgen in allen Geschäftsbereichen aktiv…die Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsteile, alleinerziehender Eltern, Arbeitsloser, Obdachloser und Jugendlicher.“

Mit freundlichen Grüßen

Aktion Sperrminorität

Gegen Privatisierung – für eine solidarische Ökonomie