BZ-Gastbeitrag: Mit der 50-Prozent-Quote ist Dietenbach eine einmalige Chance

Stefan Rost ist Mitgründer des Mietshäusersyndikats- Er sieht Dietenbach in Verbindung mit der 50-Prozent-Quote und einem sozial orientierten Vergabeverfahren als einmalige Chance.

Es gibt viele gute Gründe gegen das Bauen auf der grünen Wiese, vor allem ökologische. Wir würden liebend gern im Altbaubestand Hausprojekte mit bezahlbaren Mietwohnungen initiieren, in Kooperation mit den vielen Initiativen von wohnungssuchenden Menschen; Mietwohnungen, die dauerhaft sozial gebunden sind nach dem Modell des Mietshäusersyndikats: Leere, noch brauchbare Häuser ausbauen, gerne auch Dachgeschosse, und wenn möglich aufstocken. Also Nachverdichtung im Bestand, inklusive Brachflächen und Parkplätze überbauen.

Leider sind Grundstücke mit diesen Optionen im Handumdrehen fest in der Hand von Unternehmen, die den Verkäufern spekulativ überhöhte Kaufpreise bieten können, um die Immobilie „zu entwickeln“: Das heißt, die verbliebenen Mietwohnungen in der Regel zu entmieten, zu modernisieren und als extrem teure Eigentumswohnungen zu verkaufen, ab 5000 Euro pro Quadratmeter. Zur Eigennutzung, gelegentlich auch vermietet ab 16 bis 18 Euro pro Quadratmeter: Nicht bezahlbar für untere und mittlere Haushaltseinkommen.

„Wohnungen ab 16 bis Euro pro Quadratmeter sind nicht bezahlbar für untere und mittlere Haushaltseinkommen.“ Stefan Rost

Es gibt sicherlich ein großes Potential für Nachverdichtung. Aber mit Ausnahme der Aufstockungen der Baugenossenschaft Bauverein Breisgau und der städtischen Wohnungsgesellschaft Stadtbau entstehen hier leider genau die teuren, kaum bezahlbaren Mietwohnungen, wie sie die Kritiker des Baugebiets für Dietenbach vorhersagen.

Bleiben noch die Baugebiete in Verfügung der Stadt Freiburg. Dort entscheiden keine privaten Eigentümer aufgrund des höchsten Kaufgebotes von Immobilienentwicklern, wie und für wen gebaut wird, sondern der Gemeinderat diskutiert öffentlich und stimmt über das Vergabekonzept ab.

So wie 2013/14 beim kleineren Baugebiet Gutleutmatten in Haslach mit 500 Wohnungen: keine Vergabe zum Höchstgebot; Deckelung des Kaufpreises durch den Gutachterwert; 25-Prozent-Quote geförderter Mietwohnungsbau, 25 Jahre Bindungsfrist, mit 2400 Euro pro Quadratmeter zinsloses Darlehen der L-Bank auf 30 Jahre; Bonuspunkte bei der Vergabe für Verlängerung der Sozialbindungsfrist je Wohnung auf bis zu insgesamt 55 Jahre.

Das Drei-Häuser-Projekt des Mietshäusersyndikats erhielt den Zuschlag für drei Grundstücke mit rund 50 barrierefreien Mietwohnungen, das ist ein Anteil von 10 Prozent des Baugebiets. Von diesen Wohnungen sind 70 Prozent gefördert, die Miete beträgt 6,50 Euro je Quadratmeter kalt und die Sozialbindungsfrist 55 Jahre; 30 Prozent der Wohnungen sind freifinanziert, die Miete beträgt 7 Euro je Quadratmeter. Die Kosten je Quadratmeter Wohnfläche liegen unter 3500 Euro. Eine Reihe von Wohnungen sind für Haushalte mit besonderen Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt bereitgestellt, zum Beispiel für Flüchtlinge, wohnungslose Frauen, psychisch Kranke und Behinderte. Außerdem gibt es eine Kita mit drei Gruppen und Gemeinschaftsräume. Fertigstellung und Erstbezug waren 2017/18. Die Investitionskosten betragen 14,5 Millionen Euro.

Wir sehen Dietenbach in Verbindung mit 50-Prozent-Quote als einmalige Chance. Stefan Rost

Wir sehen Dietenbach und die anderen neuen Baugebiete in Verbindung mit der bundesweit einmaligen 50-Prozent-Quote sowie einem sozial orientierten Vergabeverfahren als einmalige Chance. Wir wollen zusammen mit anderen nicht-profit-orientierten Akteuren und Initiativen von Wohnungssuchenden einen großen Anteil von Mietshausprojekten realisieren, die von ihrer Eigentumsstruktur, insbesondere durch Einbeziehung der MieterInnen, auf dauerhaften Erhalt des Bestandes, bezahlbare Mieten und Solidarität mit noch Wohnungssuchenden angelegt sind („Nachhaltigkeit“). Man kann den Konzepten für Dietenbach skeptisch gegenüber stehen und bezweifeln, dass die Beschlüsse tatsächlich umgesetzt und bezahlbare Mietwohnungen entstehen werden.

Wenn aber hier, wo Flächen unter städtischer Regie durch den Gemeinderat vergeben werden, schon fraglich sein soll, dass im geplanten Umfang bezahlbare Wohnungen entstehen – wie soll dann ausgerechnet im Altbaubestand, wo die Flächen fest in Privateigentum sind, durch Aufstockung, Dachgeschossausbau und Parkplatzüberbauung bezahlbarer Mietwohnraum verwirklicht werden?

Zur Person
Stefan Rost ist Mitgründer und Aktivist im Mietshäusersyndikat.