„Housing for future?“ – Die Zukunft endet nicht nach 60 Jahren!

Wie gelingt es, dass Dietenbach dauerhaft ein Wohnort für Menschen ist, die sich hochpreisige Wohnungen nicht leisten können?“

Dass die Zukunft nach 30 oder 60 Jahren endet: Das könnte man meinen, wenn man auf der Homepage der Stadt Freiburg das Thema Dietenbach aufruft (→ www.freiburg.de/dietenbach) und feststellen muss, dass der Zeithorizont der Stadtverwaltung dort anscheinend nicht über 30-60 Jahre hinausgeht. Denn unter Punkt 5 „Wie kann die Stadt gewährleisten, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht?“ stößt man mit dem Link „Weitere Fragen und Antworten zum Thema“ auf die Frage nach der Dauerhaftigkeit (Hervorhebung durch uns):

„Wie gelingt es, dass Dietenbach dauerhaft ein Wohnort für Menschen ist, die sich hochpreisige Wohnungen nicht leisten können?“

Das ist keine einfache Frage. Bezogen auf Wohnraum generell beschäftigen wir uns beim Mietshäuser Syndikat mit dieser Problematik schon seit 30 Jahren. Die Stadt verweist bei ihrer Antwort aber lediglich auf die zeitlich befristeten Bindungen des geförderten Mietwohnungsbaus und ihre ebenfalls befristeten vertraglichen Verlängerungen von insgesamt 30-60 Jahren:

  • „Im Rahmen des Vermarktungskonzeptes können Anreize für Bindungsfristen gemacht werden, die über die Bindungsfristen des geförderten Wohnungsbaus hinausgehen...
  • Die Bindungsfristen sind heute deutlich länger als bei den Stadtteilen Rieselfeld und Vauban, sie betragen oft zwischen 30 und 60 Jahre.“

Immerhin findet sich im selben Zusammenhang der Hinweis, auf welche Wohnungsunternehmen und Akteure die Stadtverwaltung setzt, damit der in Dietenbach geplante, bezahlbare Wohnraum auch dauerhaften Bestand haben könnte, also unbegrenzt über die Sozialbindungsdauer hinaus:

„Nicht-Profit-orientierte Unternehmen, die Mietwohnungen dauerhaft in ihrem Bestand halten und nicht weiterveräußern, spielen eine zentrale Rolle. Das sind z.B. die Freiburger Stadtbau, Wohnungsbaugenossenschaften, das Mietshäusersyndikat und Baugemeinschaften.“ (→ www.freiburg.de/pb/,Lde/495838.html )

Das ist gut. Aber reicht das aus? Denn die Aufzählung der genannten Unternehmen wirft doch Fragen auf.

Die Freiburger Stadtbau. Da war doch mal was! So um das Jahr 2006? Hatte da nicht eine Mehrheit des Gemeinderates beschlossen, das komplette kommunale Wohnungsunternehmen meistbietend an internationale Finanzinvestoren zu veräußern, um den städtischen Haushalt zu sanieren? Was durch einen Bürgerentscheid verhindert wurde. Und hat nicht derselbe Gemeinderat schon im Jahr davor ein Paket von 720 Mietwohnungen „sozialverträglich“ an die Gagfah („Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten“) verkauft? (Diese firmiert heute als Vonovia und ist mit 350.000 Wohnungen Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen.)

Luxusprobleme?

Nun scheint die Sorge um Probleme, die in 30 oder 60 Jahren, nach Auslaufen der sozialen Bindungsfristen im jetzt noch ungebauten Stadteil Dietenbach entstehen werden, momentan ein Luxusproblem zu sein. Ging es in der Debatte zum Bürgerentscheid doch hauptsächlich darum, ob sich überhaupt genügend Investoren finden, die bereit sind, die 50-%-Quote geförderten Mietwohnungsbau zu erfüllen.

Doch in diesem Punkt sind wir sehr optimistisch: Im Baugebiet Kleineschholz/Stühlinger-West haben bereits jetzt, noch zwei Jahre vor der Ausschreibung, mehr Bauprojekte ihr Interesse bei der Stadt angemeldet als Grundstücke zur Verfügung stehen. Davon planen allein 14 Initiativen Mietshausprojekte nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats, im Schnitt mit 70 % gefördertem Mietwohnungsbau. Und es entstehen auch weitere Genossenschaften, zum Beispiel die „Freiburg Genossenschaft“, die ein großes Rad drehen will. Auch die Genova eG aus dem Vauban plant die Gründung einer neuen Wohnungsgenossenschaft.

Die Weichen jetzt stellen!

Deshalb ist es höchste Zeit, ein Konzept für die Dauerhaftigkeit zu entwickeln. Denn die Weichen werden jetzt gestellt, wie es nach 30 oder 60 Jahren weiter gehen wird, wenn die grundbuchlich abgesicherten Sozialbindungen enden und die Ausgangsfrage ihre Brisanz entfaltet: „Wie gelingt es, dass Dietenbach dauerhaft ein Wohnort für Menschen ist, die sich hochpreisige Wohnungen nicht leisten können?“

60 Jahre Sozialbindungsdauer für Mietwohnraum ist keine lange Zeit.

Genauso lang ist es her, dass die ersten Förderprogramme des sozialen Wohnungsbaus in der alten BRD aufgelegt wurden. Mittlerweile sind die riesigen Bestände vergangener Jahrzehnte von Millionen von Sozialwohnungen bis auf Reste „aus der Bindung gefallen“ und Ursache der heutigen Probleme. Auch in Freiburgs neuen Baugebieten wird früher oder später mit allen Sozialwohnungen dasselbe passieren.

Das Beispiel Stadtbau zeigt, das es keine einfache Aufgabe ist, ein Konzept für die Dauerhaftigkeit zu entwickeln. Denn der Verweis auf die Rolle der Stadt als Alleingesellschafterin der Freiburger Stadtbau reicht nicht hin. Doch wie steht es um die anderen „Weißen Ritter“ der Wohnungswirtschaft: die Genossenschaften, das Mietshäuser Syndikat und die Baugemeinschaften? Wie kann sicher gestellt werden, dass alle Akteure ihre auf der grünen Wiese in Dietenbach geplanten Wohnungen nicht nach Ablauf der Bindungsfrist veräußern oder teuer vermieten?

Bauverein Breisgau eG

Ganz so abstinent, was den Verkauf von Wohnungen aus dem Bestand betrifft, sind leider auch die Genossenschaften nicht. Ein Schlaglicht aus dem Stadtmagazin Chilli Nr. 7/8 2007:

„Mit dem höchsten Überschuss seiner 108 Jahre alten Geschichte bilanziert der Bauverein Breis- gau das Jahr 2006. Die beiden Genossenschaftsgeschäftsführer … weisen 4,6 Millionen Euro Gewinn aus und erhöhen damit das gute Vorjahresergebnis um 3,2 Millionen Euro. Den Löwenanteil daran hatte der Verkauf von 115 Wohnungen aus dem Bestand der 2004 fusionierten Wohnstättenbau Freiburg eG, der alleine 4,5 Millionen Euro brachte und … einen Ertrag von 50 Prozent. ‚Diese Wohnungen, die wir sozialverträglich verkauft haben, waren ein wichtiges Pfund beim Überschuss‘.“

GeBau Süd eG

Die ehemals größte Wohnungsbaugenossenschaft in Südbaden hatte in den 1990 Jahren durch überteuerte Grundstückskäufe ein immer größeres Rad gedreht und ging in Insolvenz, Gläubigerbanken verkauften die Immobilien, 3000 GenossInnen verloren ihre Einlagen.

Baugemeinschaften (Baugruppen)

Diese privateigentumsorientierten Hausprojekte bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Jede Partei ist gegenüber der Stadt verpflichtet, die Wohnung auch selbst zu nutzen, allerdings nur für einen überschaubaren Zeitraum von 10 Jahren. Danach könnte die Wohnung teuer vermietet oder mit Gewinn verkauft werden: Mittlerweile wechseln Wohnungen, die im Vauban noch für 2.000 €/qm erworben werden konnten, nach nunmehr 10-15 Jahren für mehr als das Doppelte den Eigentümer – Es scheint, dass die Baugemeinschaften auf der Website zu Dietenbach offenbar in die falsche Kategorie gerutscht sind: „Nicht-Profit-orientierte Unternehmen, die Mietwohnungen dauerhaft in ihrem Bestand halten und nicht weiterveräußern…“

Mietshäuser Syndikat

Auch hier kann nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden, dass Wohnungen oder ganze Häuser aus dem Verbund von gut 140 Mietshausprojekten verkauft oder privatisiert werden. Aber es gibt eine wirksame Sperre dagegen: Jedes Haus gehört einer eigenen GmbH. Der Hausverein der MieterInnen eines jeden Objektes ist Gesellschafter der GmbH und hat ein Vetorecht gegen Verkäufe, was im Gesellschaftsvertrag notariell beglaubigt und im Handelsregister eingetragen ist. Auch das Mietshäuser Syndikat als Dachverband hat ein ebensolches Vetorecht.

Dauerhaftigkeit sicherstellen

Aber trotz gelegentlicher „Fehltritte“ durch Wohnungsverkäufe und kritischer Entwicklungen wie in der Quäkerstraße (Familienheim eG) oder Uni-Carré (Bauverein Breisgau) sind Genossenschaften mit ihren sehr umfangreichen Mietwohnungsbeständen und vergleichbar moderaten Mieten von den Geschäftsmodellen der Freiburger Immobilienwirtschaft meilenweit entfernt: So erklärte ein Investor beim Baugebiet Gutleutmatten stolz beim Ersten Spatenstich, dass der ganze Komplex mit 100 % geförderten Sozialmietwohnungen und 25 Jahren Bindungsfrist bereits an andere Kapitalanleger weiter veräußert worden sei.

Im Vergleich dazu stehen genossenschaftliche Wohnungsunternehmen durchaus für Dauerhaftigkeit. Aber wäre es dann nicht besonders ärgerlich, wenn ausgerechnet diese gemeinwohlorientierten Unternehmen, die sich in den Neubaugebieten bevorzugt um Grundstücke bewerben können, diese nach Ablauf der Bindungsfristen einfach wieder vermarkten oder teuer vermieten würden? Deshalb schlagen wir vor, dass diese Unternehmen bei der Bewerbung für jedes einzelne Grundstück im Neubaugebiet ein schlüssiges Konzept vorweisen müssen, das weitgehend sicher stellt, dass die Grundstücke nicht nach Ablauf der Bindungsfristen weiter veräußert oder teuer vermietet werden können.

Satzungsbestimmungen reichen nicht

Wie die Beispiele gezeigt haben, reicht die Rechtsform des Unternehmens z.B. als eG allein nicht aus; ebenso wenig die Satzung des Unternehmens, vor allem der Unternehmenszweck, denn er kann mit der erforderlichen Mehrheit immer geändert werden. So wurde beim Bauverein Breisgau eG der genossenschaftliche Förderauftrag aus dem Satzungszweck gestrichen, er unterscheidet sich jetzt in Nichts von einem ganz normalen Immobilienunternehmen:

„Die Genossenschaft kann Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen errichten, erwerben, bewirtschaften, betreuen, verwalten und vermitteln…Die Genossenschaft kann bebaute und unbebaute Grundstücke erwerben, belasten, veräußern sowie Erbbaurechte ausgeben.“

Hingegen steht bei der Heimbau Breisgau eG in der Satzung:

„Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung.“

Konzepte für Dauerhaftigkeit

Nach unserer Erfahrung ist die Einbeziehung der MieterInnen eines einzelnen Objektes dafür eine wesentliche Voraussetzung: Es wird ein Hausverein der Mietparteien gegründet, der durch einen Kooperationsvertrag mit der Genossenschaft Mitbestimmungsrechte erhält. Das ist auch gerechtfertigt, da es letztlich die Mietparteien sind, die über Jahre und Jahrzehnte mit der Miete alle Kosten der Immobilie tragen, insbesondere die Kreditzinsen und die Tilgung, und zwar doppelt und dreifach.

So bewirbt sich z.B. eine Genossenschaft auf ein Grundstück im neuen Baugebiet. Der Hausverein der MieterInnen erhält im Rahmen des Kooperationsvertrages ein Vetorecht gegen Wohnungs- und Hausverkäufe und ungerechtfertigte Mieterhöhungen nach Ablauf der Sozialbindungsfristen. Optimal ist es, wenn diese Rechte grundbuchlich abgesichert sind und dauerhaft Bestand haben. Die Genossenschaft übernimmt in diesem Falle die Rolle einer sogenannten Dachgenossenschaft, der Hausverein hat die Rolle eines „Huckepack-Projektes“. – Vor allem in Hamburg und Berlin werden Dachgenossenschaften seit Jahrzehnten praktiziert. Das Modell ist auch für die Freiburger Stadtbau geeignet.

Gewaltenteilung

Funktionaler Kern des Modells ist nicht eine einzige Trägerorganisation, sondern zwei getrennte und nicht personell verfilzte Körperschaften, die eigene Rechte am Grundstück haben und in Grundlagenfragen wie Wohnungsverkäufen durch das Vetorecht nicht überstimmt werden können. Das Mietshäuser Syndikat arbeitet mit einem ähnlichen Prinzip. Und auch der Staat: So bedürfen in wichtigen Grundlagenfragen vom Bundestag beschlossene Gesetze der Zustimmung des Bundesrates („Zwei-Kammer-Prinzip“, eine Art von Gewaltenteilung). – Für das Vergabeverfahren könnten die gewählten Konzepte je nach Wirksamkeit mit Bonuspunkten bewertet werden.

Housing for future

So könnte wirklich gelingen, „dass Dietenbach dauerhaft ein Wohnort für Menschen ist, die sich hochpreisige Wohnungen nicht leisten können“. Wir halten es nicht für vertretbar, erneut die gleichen Fehler wie im Vauban, Rieselfeld und überhaupt seit 60 Jahren des sozialen Wohnungsbaus zu machen und Probleme nach Ablauf der Bindungsfristen zukünftigen Generationen aufzubürden, die mit den Folgen jahrzehntelanger Raubbauökonomie bereits genug gefordert sein werden.