„Private Bauwirtschaft sieht Zweiklassengesellschaft“ – Grundstücksvergabe im Erbbaurecht

Offener Brief, zur Information auch an Gemeinderat und Verwaltung der Stadt Freiburg, an die lokale Presse und andere Interessierte Mensche

An die Vereinigung Freiburger Wohnungs- und Gewerbeimmobilienunternehmen VFW

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Welt ist ungerecht! Sie beklagten die Ankündigung des Rathauses, im geplanten Baugebiet Kleineschholz Baugrundstücke ausschließlich an „gemeinwohlorientierte Bauträger“ zu verkaufen: Sie sehen darin, „eine Art Zweiklassengesellschaft im Kreise der Bauträger‘. Die einen seien gemocht und vermeintlich gemeinwohlorientiert, die anderen ungeliebt und profitorientiert.“ (BZ 3.7.19)

So schlicht kann man das sehen. Was sie dabei gerne übersehen wollen: Auch nach Ablauf der Bindungsfristen des sozialen Wohnungsbaus werden die geförderten Wohnungen bei den gemeinwohlorientierten Unternehmen weitgehend im Bestand gehalten und bleiben mehr oder weniger bezahlbar; vor allem werden sie nicht wie bei Ihren profitorientierten Unternehmen an Kapitalanleger verkauft, die Eigenbedarfskündigungen aussprechen oder durch Mieterhöhungen am Limit endlich Kasse machen wollen.

Aber auch wir vom Mietshäuser Syndikat sind gespannt, wie die Stadtverwaltung die politische Vorgabe rechtlich unangreifbar umsetzen will, ausschließlich an „gemeinwohlorientierte Bauträger“ zu verkaufen, das sind laut Baubürgermeister Haag „große und kleine Baugenossenschaften, Mietshäusersyndikat, Stadtbau“ (BZ 10.7.19)
Das sei aber nicht so einfach, wie der Rechtsamtsleiter Matthias Müller im BZ-Artikel zum Thema „Zweiklassengesellschaft“ ausführt:

„Die Vergabe der Grundstücke allein an die Organisationsform des Investors zu knüpfen, ist schwierig. Ob der Interessent als GmbH oder Genossenschaft firmiert, dürfe nicht entscheidend sein. Als öffentliche Hand müsse die Stadt eine diskriminierungsfreie Vergabe sicherstellen. Das heiße allerdings nicht, dass alle Interessenten gleich behandelt werden müssten. Doch die Ungleichbehandlung erfordere einen sachlichen Grund – günstiger Wohnraum wäre einer. Wie das zu erreichen ist, müssten materielle und soziale Kriterien festlegen. Wenn auch ganz normale Bauträger diese erfüllen, könnten auch sie zum Zuge kommen. In der Praxis jedoch dürfte dies meist auf genossenschaftlich organisierte Unternehmen und die Stadtbau GmbH hinauslaufen.“

Ein hervorragendes Mittel, um das zu erreichen, dürfte die prinzipielle Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht sein. Das ist auch bereits vor genau einem Jahr von den Grünen und anderen Fraktionen eingebracht worden (Vorlage G 18/232 vom 2.10.2108).

Der Kniff dabei: Die Laufzeit des Erbbaurechtes wird von vornherein auf die Dauer der Sozialbindung der geförderten Wohnungen begrenzt (30 Jahre oder länger, bis zu 60 Jahren).

Dann sind Spekulationsgewinne aus dem Grundstückseigentum und dessen exorbitanten Wertsteigerungen für die erbbauberechtigten Bauträger (oder deren Rechtsnachfolger) von vornherein ausgeschlossen, da dieses Grundstückseigentum auch während der Laufzeit des Erbbaurechts in den Händen der Stadt liegt.
Zusätzlich kann die Aufteilung des Gebäudes in Eigentumswohnungen im Erbbauvertrag ausgeschlossen werden.

Das wäre für genossenschaftliche Wohnungsunternehmen und die Stadtbau kein echtes Hindernis, aber alles andere als eine attraktive Perspektive für Bauträger und ihre Kapitalanleger. Erschwerend kommt noch hinzu, dass das vom Bauträger errichtete Gebäude mit Ablauf des Erbbauvertrages in das Eigentum der Stadt fällt. Diese muss dann eine Entschädigung an den ehemaligen Erbbauberechtigten zahlen in Höhe des Verkehrswertes des Gebäudes.

Da es sich um ein Mietshaus handelt (die Aufteilung in Eigentumswohnungen wurde im Erbbauvertrag ausgeschlossen), bemisst sich der Verkehrswert laut Bewertungsrichtlinien nach dem Ertragswert, d.h. nach den Mieterträgen. Dieser Wert liegt in der Regel deutlich unter dem mutmaßlichen Spekulationswert der Immobilie, zumal das Grundstück mit seinen Wertsteigerungen sowieso außen vor geblieben ist.

Idealerweise kann das Erbbaurecht auch verlängert werden, durch eine Verlängerungsoption im Erbbauvertrag, unter folgender Voraussetzung: Die Sozialbindung wird erneuert und in gleicher Weise verlängert, wobei wiederum die Laufzeit des verlängerten Erbbaurechts der Sozialbindungsdauer entspricht.
Dieses Vergabeverfahren kann praktisch immer wiederholt werden, das Ergebnis ist eine dauerhafte Sozialbindung unabhängig von der Rechtsform des Wohnungsunternehmens.

Falls der Bauträger keine Verlängerung des Erbbaurechts wünscht, kann die Stadt zeitlich anschließend an das alte ein neues Erbbaurecht inklusive Gebäude an ein anderes Wohnungsunternehmen (z.B. auch an eine Genossenschaft der MieterInnen) vergeben, das die entsprechenden Sozialbindungen für die Laufzeit des neuen Erbbaurechtes übernimmt.

Diese für alle Bewerber gültigen Bedingungen wäre aber durchaus auch für Bauträger der Vereinigung Freiburger Wohnungs- und Gewerbeimmobilienunternehmen erfüllbar und somit kein diskriminierendes Ausschlusskriterium beim Vergabeverfahren.

Mit freundlichen Grüßen

Bauverein „Wem gehört die Stadt?“
Im Auftrag