Brief an die Landtagskandidat_innen zum Landeswohungsbauprogramm

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Mangel an Wohnraum, insbesondere an bezahlbarem Mietwohnraum ist eklatant. Ein probates Mittel dagegen ist der geförderte Mietwohnungsbau nach den Landeswohnungsbauprogrammen. Das große Dilemma im sozialen Mietwohnungsbau ist, dass der Förderzweck – die Bereitstellung bezahlbaren Mietwohnraums – nach Ablauf der Bindungsfrist in den meisten Fällen leider zugunsten einer profitorientierten Vermarktung aufgegeben wird und die Förderung damit keine nachhaltige Entlastung auf dem Wohnungsmarkt bewirkt.
Neben kommunalen Wohnbauunternehmen sind es vor allem von Mieter*innen selbst organisierte Wohnprojekte nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats oder kleine von den Mieter*innen kontrollierte Genossenschaften, die geförderten Wohnungen langfristig als bezahlbaren Mietwohnraum erhalten.
Eine ganze Reihe der Regelungen in den bisherigen Landeswohnungsbau-programmen des Landes Baden-Württemberg machen es aber genau solchen Projekten schwer, neuen dauerhaft sozial gebundenen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Im Folgenden möchten wir erläutern, an welchen Punkten das nächste Förderprogramm nachgebessert werden sollte:

Reduzierung der Tilgungssätze von 2% auf 1 %
Die Erhöhung des Tilgungssatzes von früher 1% auf aktuell 2% führt im Schnitt zu einer Erhöhung der Miete um 2 € je m². Angesichts weiter steigender Baupreise und höherer technischer und ökologischer Anforderungen ist es sowieso schon schwierig, im Neubau bezahlbare Mieten zu erreichen.

Einbeziehung der Syndikatsprojekte in das Bürgschaftsprogramm
Das Landeswohnungsbauprogramm bietet für junge Genossenschaften (bis 4 Jahre nach Eintragung) die Möglichkeit einer kostenlosen Bürgschaft zur Absicherung der Darlehen aus dem Förderprogramm. Diese Bürgschaften können die Sicherungslücke schließen, die durch (noch nicht) vorhandenes Eigenkapital entsteht. Auch für Projekte nach dem Modell des Mietshäuser Syndikats sollten solche Bürgschaften zur Verfügung stehen, die Begrenzung auf 4 Jahre nach Gründung sollte angesichts der z.T. langwierigen Entwicklung von Baugebieten erweitert werden

Erweiterung des Personenkreises für besondere Mietwohnraumförderung
Im Landeswohnungsbauprogramm gibt es die „besondere soziale Mietwohnraumförderung zugunsten von Haushalten mit besonderen Schwierigkeiten bei der Wohnraumversorgung“. Welche Personengruppen jeweils darunter fallen entscheidet die oberste Landesbehörde zusammen mit der L-Bank. In den bisherigen Programmen ist dies begrenzt auf obdachlose, haftentlassene oder drogenabhängige Menschen. Um auch geförderten Wohnraum für andere Gruppen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen zu können, sollte der Personenkreis ausgeweitet werden. Psychisch kranke Menschen oder Menschen mit Autismus, um nur zwei Beispiele zu nennen, sollten auch in das Programm aufgenommen werden.

Mehr Flexibilität für neue Wohnformen
Neue gemeinschaftliche Wohnformen z.B. Wohngruppen für Menschen mit Betreuungsbedarf oder Clusterwohnungen bieten vielen Menschen die Möglichkeit in Gemeinschaft zu leben, auch außerhalb von traditionellen Familienverbänden. Hier sollte es möglich sein, geförderten und frei finanzierten Wohnraum zu mischen, da sich die Zusammensetzung der Bewohner*innen nach pflegerischer Notwendigkeit oder persönlicher/sozialer Beziehung richtet und nicht entlang der Einkommensgrenzen für die Wohnbauförderung. Auch müssten nicht nur die jeweiligen Wohneinheiten für einzelne Bewohner*innen gefördert werden, sondern auch die gemeinsam genutzten Räume (Wohnküche, Wohnzimmer…).

Berücksichtigung von Erbbaurechten im geförderten Mietwohnungsbau
In manchen Fällen werden Grundstücke nur noch im Erbbaurecht vergeben. Hierbei kommen Förderantragsteller*innen u.U. nicht in den Genuss gleich günstiger Konditionen für das Grundstück wie beim Kauf des Grundstücks mit entsprechender Förderung durch das Wohnungsbauprogramm.
Deshalb sollte bei Erbbaurechten die Förderung für das Grundstück mit entsprechender Bindung an die Erbbaurechtsgeberin vergeben werden, damit diese die günstigen Konditionen in Form eines reduzierten Erbbauzinses an die Erbbaurechtsnehmer*innen weitergeben kann.

Überlassung der Belegungsbindung an gemeinwohlorientierte Wohnprojekte
Das niedrige Mietniveau dieser Hausprojekte kann, neben dem Ausschluss von Gewinnerzielungsabsichten, nur durch ehrenamtliches Engagement der Bewohner*innen gewährleistet werden, was ein funktionierendes Sozial-gefüge im Projekt voraussetzt. Hierzu ist es unabdingbar, dass die Haus-gemeinschaft über ihre Zusammensetzung selbst entscheiden kann. Bei der Überlassung der Belegungsrechte an die Kommunen braucht es deshalb eine dementsprechende Ausführungsanweisung. Die gemeinwohlorientierten Wohnprojekte schaffen in der Regel immer auch Wohnraum für Personen, die besondere Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt haben und oft auch in der Wohnungsnotkartei der Kommunen stehen.
Wir bitten Sie als Mitglied der Landeregierung, als Mitarbeiter*in der Landesverwaltung oder als aktuelles oder zukünftiges Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg, sich mit uns gemeinsam für diese Änderungen in zukünftigen Landeswohnungsbauprogrammen einzusetzen.

Wohnprojekte und Projektinitiativen im Mietshäuser Syndikat in Baden- Württemberg https://www.syndikat.org/de/
Bauverein „Wem gehört die Stadt“ e.V., Freiburg https://www.wemgehoertdiestadt.org/
Mieter*innengeführte Kleingenossenschaften wie die Wohngenossenschaft Esche eG, Freiburg www.esche-freiburg.de
Kontakt: Bauverein „Wem gehört die Stadt“: bauverein@wemgehoertdiestadt.org
Wohngenossenschaft Esche eG: post@esche-freiburg.de