Schon wieder zur Förderung Sozialer Mietwohnungsbau

An die Landesregierung Baden-Württemberg
Zur Kenntnis an die Fraktionen im Landtag,
an die Städte Freiburg, Mannheim, Heidelberg, Stuttgart und Tübingen
und die jeweiligen Fraktionen im Gemeinderat,

Offener Brief vom 15.2.2023
“6.000 Euro pro fertiggestellter Wohnung.
Land plant neue Realisierungprämie im Wohnraumförderprogramm”
Dies kündigte Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen Baden-Württemberg am Donnerstag, den12.Januar an.
“Die Realisierungsprämie ist als Ergänzung zur sozialen Wohnraumförderung des
Landes gedacht… und soll …. mit 6.000 Euro je frei finanzierter und sozial geförderter
Wohnung das ganze Projekt zusätzlich fördern…Voraussetzung für den Erhalt der Prämie soll sein, dass im Projekt mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen
vorgesehen sind, und dass auch die frei finanzierten Wohnungen über mehrere Jahre
preisgünstig vermietet werden. “

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben unseren Taschenrechner bemüht:
bei einer Wohnungsgröße von 80 m² und angenommenen Gesamtkosten von 5.600
€/m², mit denen zumindest in den Ballungszentren zu rechnen ist, bewirkt die Prämie
einen Zuschuss von 75 €/m². Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Denn die Wohnraumförderung ist nicht so hoch attraktiv wie von Frau Razavi
dargestellt: mit den aktuellen Konditionen errechnet sich eine Kostenmiete die einiges
über der festgelegten Miete im sozialen Wohnungsbau liegt und mit der ein jährliches
Defizit von 1.000,- bis 1.500,- € je Wohnung erwirtschaftet wird. Damit wäre die
Realisierungprämie in gut 4 Jahren aufgebraucht.
Ohne grundlegende Korrekturen im Sozialen Mietwohnungsbau ist es daher
nicht möglich, wirtschaftlich tragfähige Mietwohnungen zu bauen.
Derzeit wird ein neues Förderprogramm für Sozialen Mietwohnungsbau erarbeitet.
Zwar sollen die berücksichtigungsfähigen Baukosten auf Basis der Baukosten-steigerungen erhöht werden, das allein hilft aber nicht:
Die Kopplung des Subventionswertes für die Förderung an die Marktzinsentwicklung
führt nach derzeitiger Praxis dazu, dass anstatt der bisherigen 80% der Kosten zu 0%
nur noch ca. 40% zu 0% gefördert werden. Die übrigen 40 % müssten zum Marktzins
finanziert werden, was bezahlbare Projekte unmöglich machen würde. Wenn wirklich
nennenswert sozialer Wohnungsbau stattfinden soll muss diese Kopplung im neuen
Programm gestrichen werden.

Auch die verlangte Tilgung von 2% belastet die Miete mit gut 7,- € pro m² und Monat.
Wir fordern deshalb Politik und L-Bank erneut auf, die Tilgungsrate analog dem
Förderprogramm 2016/2017 auf 1% herab zu senken.
Dazu schrieb uns das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen im Mai 2022:
“Die L-Bank hat mitgeteilt, dass Banken Tilgungsleistungen von nur 1% kritisch sehen.
…….. Ziel eines Investors sollte aus Sicht der Bank eine möglichst rasche
Entschuldung sein, nicht jedoch eine möglichst niedrige Darlehensrate.”
Dies mag für „normale“ renditeorientierte Investoren zutreffen, die möglichst kurze
Förderzeiträume wählen und die Wohnungen, sobald sie „aus der Bindung gefallen“
sind zum Höchstpreis auf dem Markt verkaufen. Genau dieses Geschäftsmodell aber
hat die Verdrängung der weniger finanzstarken Teile der Miethaushalte und den
dauernden Verlust von Sozialwohnraum zur Folge.
Der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft BAU, Robert Feiger, spricht von
einer „Talsohle für das soziale Wohnen“: „Der Bestand an Sozialwohnungen schmilzt
regelrecht weg. Rein rechnerisch ist im vergangenen Jahr alle 19 Minuten eine
Wohnung vom Sozialwohnungsmarkt verschwunden. Aber nur alle 25 Minuten kommt
eine durch Neubau hinzu.” (Bundesbaublatt, 18.7.2022)
Angesichts begrenzter Ressourcen und insbesondere begrenzter Bauflächen kann die
Bewältigung der anstehenden Probleme beim Mietwohnungsbau nicht bedeuten, mit
den renditegetriebenen Geschäftsmodellen der privaten Wohnungswirtschaft
„Lösungen“ anzubieten, die genau diese Probleme verursacht haben.
Projekte im Mietshäuser Syndikat, Kleingenossenschaften und weitere gemeinwohl-
orientierte Unternehmen sind Bestandshalter auch über die Bindungen der Wohn-
raumförderung hinaus. Sie sollten bei der Vergabe von Baugrundstücken und bei der
Vergabe von Fördermitteln bevorzugt werden. Ebenso müssen alle gemeinwohl-
orientierten Unternehmen ins Bürgschaftsprogramm des Landes aufgenommen
werden.
Wir fordern die Politik auf, entsprechende Konzepte zu entwickeln und die
Wohnraumförderung so zu gestalten, dass das entstehen kann, was gebraucht wird:
Dauerhaft bezahlbarer Wohnraum.