„Das Energiekonzept ist weder klimaneutral noch kostengünstig, noch zukunftsfähig …“*

An den Gemeinderat und die Verwaltung der Stadt Freiburg,
zur Information an die Presse und andere Interessierte

Offener Brief vom 14.11.2021
„Das Energiekonzept ist weder klimaneutral noch kostengünstig, noch zukunftsfähig …“*
(* so zu lesen in einer Stellungnahme eines Expert:innenkreises zu den Konzepten für Dietenbach und Kleineschholz) https://bit.ly/3CfW1Fu

Sehr geehrte Frau Stadträtin, sehr geehrter Herr Stadtrat,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

am kommenden Montag soll im Umweltausschuss die europaweite Ausschreibung eines zentralen Wärmenetzes für das Baugebiet Dietenbach weiter auf den Weg gebracht werden. Verbunden mit dem Anschlusszwang fast aller Grundstücke ist geplant, eine Konzession für die Wärmelieferung über einen Zeitraum von 20 Jahren zu vergeben.
 Haben wir ein Déjà-vu?
„Das Energiekonzept des neuen Quartiers Gutleutmatten in Haslach sollte innovativ, vorbildlich und bemerkenswert werden. Letzteres ist es auch geworden – allerdings nicht so, wie die Stadtverwaltung sich das gewünscht hat. Denn inzwischen gilt es bundesweit als Beispiel für eine missglückte Planung, deren Kosten die Bewohner zu tragen haben. Die Stadtverwaltung lehnt es jedoch nach wie vor ab, nachzubessern.“ (BZ vom 12.12.2019)
Aber: „Wir haben dazugelernt“ hieß es aus Kreisen der Verwaltung, „ein zweites Gutleutmatten wird es nicht geben“ und man sehe für eine weitere Überprüfung keinen Anlass. (BZ, 23.7.21, Räte sind skeptisch beim Energiekonzept für den neuen Freiburger Stadtteil Dietenbach)
Wer auch immer etwas dazugelernt hat, Dr. Klaus* von Zahn, der Chef des Umweltschutzamtes, war es nicht. So war von ihm auf der Veranstaltung zum Rahmenplan Kleineschholz zu hören, dass das Energiekonzept Gutleutmatten „sehr gut“ sei.
Auch diesmal verlässt sich die Verwaltung auf die Expertise eines einzigen Büros (EGS-Plan Stuttgart) und hält am geplanten weiteren Ablauf fest. Trotz zahlreicher Zweifel von Experten und Nachbesserungsforderungen von Gemeinderäten sollen jetzt im Eilverfahren Schritte eingeleitet werden, die nicht mehr korrigierbar sein werden, auch wenn sich grundlegende Bedingungen ändern sollten.
Wir freuen uns, dass sich die Gemeinderäte einiges abverlangen, um die komplexe Materie der Wärmekonzepte besser durchdringen zu können. Sie sind der Einladung des Expert:innenkreises aus technischen Büros und der Architektenkammer gefolgt, um sich deren Kritik an den Konzepten erläutern zu lassen. Deren Berechnungen bescheinigen den zur Abstimmung vorliegenden Energiekonzepten: Es könnte noch schlimmer kommen als auf Gutleutmatten.
Um eine optimale Lösung und Akzeptanz bei der Umsetzung klimapolitischer Ziele zu erreichen, muss eine breite und transparente Auseinandersetzung geführt werden. Aussagen wie die von Herrn von Zahn über die Expert:innen: „ … die Kritiker seien in ihren Gebieten zweifellos respektable Fachleute, allerdings dächten sie beruflich das Projekt von Gebäudeseite her und weniger mit dem Blick für einen hochverdichteten, großen Stadtteil.“,  sind dafür weniger förderlich. (BZ 13.11.21)

– Notwendig  ist die von der Expertinnenrunde vorgeschlagene Einrichtung eines Klimarates, der den Gemeinderat unterstützt, belastbare Beschlüsse zu fassen.

Projekte im Mietshäuser Syndikat, die Genossenschaft Esche eG und Projekte unter der Dachgenossenschaft  „Wohnen für alle“  wollen bauen –  mit gefördertem Mietwohnungsbau über die 50%-Quote hinaus. Die technischen Details des Expert:innenkreises können wir letztendlich nicht endgültig bewerten.  Ein wichtiger Parameter des Konzepts EGS Plan jedoch springt auch uns „ins Auge“. Es ist der vorgegebene Energiestandard der Gebäude:
Möglicherweise verfehlt die Stadt in den neuen Stadtteilen nicht nur das Ziel der Klimaneutralität, sondern auch die Vorgabe des Gemeinderates, dort 50 % Sozialen Mietwohnungsbau zu realisieren. Bereits im Februar kommenden Jahres stellt die Kreditanstalt für Wiederaufbau die Förderung für Gebäude mit Energiestandard EH 55 ein, gefördert werden dann nur Standards ab EH 40 oder besser. Erfahrungsgemäß passt die Landesbank die Förderung für Sozialen Mietwohnungsbau relativ zeitnah an. Alle Investor:innen werden daher mindestens mit diesem Standard bauen müssen. Damit reduziert sich der Wärmeenergiebedarf der Baugebiete erheblich. Sind die geplanten Nahwärmenetze in Dietenbach und Kleineschholz unter diesen Voraussetzungen wirtschaftlich überhaupt noch tragbar?
Bevor nun mit der geplanten Ausschreibung Schritte eingeleitet werden, die später nicht mehr korrigierbar sind, müssen die vielen jetzt schon erkennbaren Fragen geklärt werden.
Wir unterstützen den Vorschlag der Expert:innenrunde und fordern den Gemeinderat und Stadtverwaltung auf, die Reißleine zu ziehen und

– die aktuelle Ausschreibung des Energiekonzepts Dietenbach zu stoppen, ggf. eine Neuauflage der Ausschreibung mit neuen Mindeststandards erarbeiten zu lassen und nur für den ersten Bauabschnitt auszuschreiben, um für die folgenden Bauabschnitte die Möglichkeit noch nicht erforschter (und in Zukunft ggf. förderbarer) Technologien Raum zu lassen und

– das Energiekonzept Kleineschholz analog zu überarbeiten

Mit freundlichen Grüßen,
Bauverein „Wem gehört die Stadt“, Regina Maier, Stephanie Orthner, Helma Haselberger

 

*In einer früheren Version des Textes ist uns ein Fehler unterlaufen. Herr von Zahn heißt mit Vornamen Klaus und nicht Peter, wir bitten den Fauxpas zu entschuldigen.